SPD Tamm

"Alle sollen ihr Potenzial entwickeln"

Veröffentlicht am 04.06.2011 in Landespolitik

Marbacher Zeitung vom 4. Juni 2011:

Politik im Gespräch (II) Die Landtagsabgeordneten der Region nehmen ihre Arbeit auf.
Der Sozialdemokrat Thomas Reusch- Frey ist erstmals gewählt worden. Der Bissinger ist der einzige Pfarrer im Parlament. Mit ihm hat sich Oliver von Schaewen über sein Selbstverständnis als Politiker, über seine Aufgaben im Parlament und für den Wahlkreis unterhalten.

Herr Reusch- Frey, wie fühlen sich die ersten Wochen im Landtag an?
Ich empfinde große Dankbarkeit darüber, dass ich gewählt wurde. Der Abschied nach 17 Jahren als Gemeindepfarrer in Bissingen war überwältigend. Jetzt freue ich mich, die politische Verantwortung mitzutragen.

Sie sind Pfarrer und mehr oder weniger friedliche Schafe gewöhnt - ein Landtag ist eine politische Bühne, in der auch Wölfe unterwegs sind. Haben Sie Angst vor Bisswunden?
Auch eine Kirchengemeinde ist nicht immer zahm. Dennoch, ich gehe davon aus, dass unterschiedliche Meinungen auch heftig aufeinander prallen. Ich selbst werde kritisieren und kritisiert werden. Manches kann natürlich auch weh tun, aber die Grenze ist da, wo es gegen die Person geht. Ich stehe als Abgeordneter dafür, die Würde des Menschen ernst zu nehmen.

Gibt es noch andere Pfarrer im Parlament?
Nein, ich bin der einzige.

Hilft Ihnen der Blick auf Vorbilder, wie etwa Martin Luther King oder Friedrich Schorlemmer, die sich in die Politik eingemischt haben?
Ja, das hilft mir. Ich finde auch Joachim Gauck sehr überzeugend. Er hat eine überlegte Art, analysiert tiefgehend ist dabei verständlich.

In welchen Bereichen der Landespolitik möchten Sie persönlich etwas verändern?
Vor allem in der Bildung setze ich mich für Änderungen ein: Wir müssen beim Kindergarten anfangen mit einer verbesserten und erweiterten Sprachförderung. In der Schule setze ich auf eine individuelle Förderung, diese gilt sowohl den Stärkeren als auch den Schwächeren. Alle sollen ihr Potenzial bestmöglich entwickeln können.

Was möchten Sie außerdem an den Schulen verändern?
Es ist mir ein weiteres Anliegen, dass weniger Unterricht ausfällt. Jeder längere Unterrichtsausfall ist ein Armutszeugnis! Schließlich brauchen wir beim Übergang von der Schule in den Beruf eine bessere Vernetzung, um optimale Hilfestellungen geben zu können. Alle Kinder und Jugendlichen sollen die gleichen Bildungschancen erhalten, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft.

In welchen Ausschüssen arbeiten Sie mit?
Ich gehöre dem Landwirtschaftsausschuss an, schließlich habe ich eine landwirtschaftliche Lehre gemacht und kenne mich im Weinbau aus. Ferner bin ich Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales: Hier will ich mich für das Ziel der Vollbeschäftigung einsetzen. Wir können durch einen „zweiten” Arbeitsmarkt Langzeitarbeitslose wieder an eine regelmäßige Tätigkeit heranführen und damit dem Fachkräftemangel ein Stück weit entgegenwirken.

Wie wollen Sie das erreichen?
Es müssen Anreize sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer gesetzt werden. Das ist über Beschäftigungsgesellschaften möglich, die es bei weitem noch nicht flächendeckend gibt. Natürlich darf die Wiedereingliederung von Arbeitslosen nicht auf Kosten des ersten Arbeitsmarktes geschehen.

Zu Stuttgart 21 wird es eine Volksabstimmung geben, die SPD hat sich durchgesetzt, jetzt droht Bahn- Chef Grube mit Schadensersatz- Drohungen. Wird es wieder hitzig?
Die Schlichtung hat gezeigt, dass der Stresstest notwendig ist. Einen Baustopp bis zum Volksentscheid halte ich für richtig. Die Bahn sollte anerkennen, dass eine gesellschaftliche Akzeptanz bei diesem brisanten Thema erforderlich ist. Wir brauchen die Befriedung der Auseinandersetzung. Es kann ja nicht so weitergehen wie bisher, dass Hundertschaften von Polizisten im Einsatz sind, um einen Bahnhof zu bauen.

Was halten Sie für notwendig, um Ihren eigenen Wahlkreis wirkungsvoll in Stuttgart zu vertreten?
Ich bin froh, ein funktionierendes Büro im Landtag zu haben. Außerdem möchte ich möglichst nahe an den Menschen bleiben. Ich suche noch Räume für ein Büro in der Altstadt von Bietigheim- Bissingen, der größten Stadt des Wahlkreises.

Grüne Verkehrspolitik legt Schwerpunkte auf den Ausbau des ÖPNV und der Straßensanierung. Wie wichtig halten Sie Ortsumfahrungen wie etwa Affalterbach und Benningen und deren zügige Umsetzung?
Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, auch für eine Entlastung der Bevölkerung in Sachen Lärm und Abgase zu sorgen. Ich sehe, dass Benningen schon lange an der Reihe ist. Auch in Affalterbach sollte der Ortskern entlastet werden. Ich denke, die Belastung für die Bewohner von Birkhau muss genau analysiert werden. Eine Straße darf nicht gegen den Willen der Bürgerinnen und Bürger gebaut werden.

Der Kompromiss für die Verkehrsplanung Ingersheim/Pleidelsheim/Freiberg scheint in Frage gestellt. Dort soll der Schwerverkehr aus den Orten herausgehalten werden. Wie soll sich die Regierung verhalten?
Ich befürworte das Projekt, weil die Werte für Lärm und Feinstaub in den Orten zu hoch sind. Dort muss etwas passieren. Für mich hat diese Maßnahme Vorbild- und Modellcharakter, denn hier haben die Kommunen sich zusammengetan, um gemeinsam einen guten Weg für alle zu finden. Das ist wirklich konstruktiv. So stelle ich mir Politik vor!

Der Atomausstieg ist das gemeinsame Ziel. Welches ist das nächste wichtige Ziel, das sich die Landesregierung in dieser Frage setzen muss?
Wir brauchen einen konsequenteren Ausbau der erneuerbaren Energien, um bis zum Jahr 2020 den Ausstieg zu schaffen.

Sollte das Windrad in Ingersheim gebaut werden?
Klare Sache: ja! Ich selbst bin dafür und auch ein potenzieller eingetragener Genossenschaftler. Ich erwarte, dass die Blockaden endlich gelöst werden und bald gebaut werden kann.

Was würden Sie den Kommunen raten, wenn sie ihre Stromnetze positionieren?
Wir haben in Bietigheim- Bissingen mit den Stadtwerken sehr gute Erfahrungen gemacht und einen zuverlässigen und am Markt gut aufgestellten Partner. Kleinere Gemeindeverwaltungen wären mit dem Betrieb eines Stromnetzes überfordert. Sie sollten am besten eine Verbindung mit bestehenden Stadtwerken suchen. Diese hat den Vorteil, dass die Wertschöpfung in der Gemeinde bleibt und man vor Ort mitbestimmen kann.
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